Im Artikel „Stuttgart: An diesen Hotspots gibt es freies WLAN –
Stuttgart“ von Teresa Starck und Maja Mögle vom 18. Juni 2018 wurden
wesentliche Aspekte des Themas „freies WLAN in Stuttgart“ vergessen.
Außerdem fehlt eine kritische Bewertung des städtischen Angebotes und
ein Vergleich mit anderen wirklich freien Angeboten, die in der Stadt
und in der Region schon lange existieren.
1. Die genannten Nutzerzahlen sind nur scheinbar beeindruckend
73.000 Logins im städtisch finanzierten WLAN bedeuten, dass es dort an
vier eng umgrenzten Standorten (Marktplatz, Schlossplatz, Schillerplatz
und Tourist-Information) im Mittel nur 200 Nutzer-Anmeldungen pro Tag
gibt. Setzt man das in Relation zu den dafür aufgewendeten öffentlichen
Geldern, dann ist das ein äußerst bescheidenes Ergebnis.
Im Vergleich dazu betreiben die ehrenamtllichen Communities um den
Stuttgarter Verein Freifunk Stuttgart e.V. über 1.400 Zugangpunkte über
die ganze Region verteilt. Insgesamt decken Freifunker damit eine Fläche
von weit über 140.000 m² ab [zur Kalkulation siehe 0]. Diese konnten im
Jahr 2017 etwa 2,2 Millionen Benutzer-Sitzungen verarbeiten [4]. Neben
der Präsenz an privaten Standorten und bei Gewerbetreibenden in der
Innenstadt Stuttgarts (z.B. Königstraße) und in den Nachbarstädten der
Region werden z.B. in Ortschaften wie Beuren Freifunk flächendeckend für
alle Bewohner nutzbar gemacht (siehe [1], für eine Live-Karte der Region
siehe [2] ).
2. Freies WLAN ist ein Beitrag zur Förderung der digitalen Teilhabe
Die Installationen der Freifunkinitiativen leisten einen entscheidenden
Beitrag zur Teilnahme sozial schwächer gestellter Bürger an der
digitalen Grundversorgung. In über 120 sozialen Einrichtungen in
Stuttgart und in der Region wurden bereits Obdachlosenunterkünfte ebenso
wie Flüchtlingsunterkünfte durch Freifunk „online“ gebracht (in
Stuttgart zum Beispiel das Haus am Löwentor der Stuttgarter
Evangelischen Gesellschaft (siehe [3] ).
3. Flexible und bedarfsorientierte Angebote
Das Konzept eines von Bürgern selbst gesteuerten und offenen WLAN
Angebotes kann mit geringem Aufwand jederzeit an die wechselnden
Bedürfnisse einer sich verändernden Stadt und ihrer Bewohner angepasst
werden.
4. Wirklich freies WLAN nach den Grundsätzen eines modernen Datenschutzes
Durch die meisten kommerziell betriebenen WLAN Angebote werden Daten
erhoben, die nach aktueller Rechtsprechung nicht mehr zwingend erhoben
werden müssen (z.B. Anmeldung mit E-Mail-Adresse und anderen
Benutzerdaten). Was mit diesen Informationen passiert, ist für den
Anwender nicht ohne weiteres erkennbar oder es versteckt sich in langen
Geschäftsbedingungen, die man schnell wegklickt. Es ist zu befürchten,
dass die vermeintlich „kostenlosen“ WLAN Angebote in vielen Fällen
durch einen Verkauf dieser Daten refinanziert wird – analog zu anderen
Geschäftsmodellen im Internet mit nur scheinbar „kostenlosen“ Angeboten.
Auch aus technischen Gründen ist die Erhebung dieser Daten nicht
notwendig und widerspricht somit dem Grundsatz der Datensparsamkeit und
dadurch den Vorgaben der neuen europäischen Datenschutzverordnung
(DSGVO). Dagegen wurde bei der Anmeldung an einem Netzknoten des
Freifunknetzes schon lange vor Inkrafttreten der DSGVO auf
Datensparsamkeit geachtet.
Wir würden uns freuen, wenn Sie zu diesem Thema noch einen weiteren
Artikel planen könnten, der diese Aspekte berücksichtigt und die zum
Teil überhöhten Investitionen mancher Kommunen in Projekte zur
Realisierung „offener WLAN Infrastrutkuren“ kritisch hinterfragt.
[0] Die Rechnung erfolgte mit einer durchschnittlichen abdeckung von 10m
x 10m. Real ist dies weitaus größer.
[1] https://www.freifunk-beuren.de/
[2] https://karte.freifunk-stuttgart.de/
[3]
https://www.eva-stuttgart.de/ueber-uns/meldungen/artikel/freifunk-wlan-fuer-die-bewohner-im-haus-am-loewentor/
[4] Die Kalkulation ist niedriger als die tatsächlichen Zahlen, da bei
im Schnitt 3800 gleichzeitigen Usern die Annahme von 6000 täglichen
Logins angenommen wurde.
2 thoughts to “Leserbrief an die Stuttgarter Zeitung”
Unter Pkt 2 erwähnt ihr „sozial schwächer gestellte Bürger“ wobei ihr vermutlich Menschen meint, die knappe finanzielle Mittel haben …oder?
Pingback: Ein Guter Tag für die digitale Teilhabe – Gesetzesantrag zur Gemeinnützigkeit von Freifunk im Bundesrat angenommen – Piratenpartei Baden-Württemberg